Wir sitzen

Morgen ist in Indien Feiertag: Republic Day. Bei uns im Slum war deshalb heute ein Straßenfest. Irgendwoher haben sie eine Bühne, Stühle, eine Musikanlage und ganz viele kleine Indien-Flaggen bekommen. Dann wurden immer abwechselnd Reden gehalten und die Kinder haben die Tänze vorgetanzt, die sie die ganzen letzten Tage geübt haben. Synchron getanzt haben sie zwar immer noch nicht, aber es war schon besser als vor ein paar Tagen. Und auf jeden Fall hatten sie ihren Spaß. Keine Ahnung, ob die Kinder sonst glücklich sind, aber wenn man ihnen beim Tanzen in die Augen sieht, dann weiß man, dass sie es in diesem Moment sind.
Von den Reden haben wir leider kein Wort verstanden, da sie natürlich auf Hindi waren. Wir wurden gefragt, ob wir auch etwas sagen möchten. Nein bloß nicht, was denn? Und auf Englisch versteht uns doch sowieso niemand.
Wir wurden auch nicht auf die normalen Zuschauerplätze gesetzt, sondern auf ein paar Stühle hinten auf der Bühne. Warum? Das ist grauenhaft. Da wurden wir die ganze Zeit angestarrt. Und außerdem konnten wir die Tänzer immer nur von hinten sehen. Das ist doch blöd. Aber das ist immer so. Überall wo man hinkommt: „Ma’am sit.“ Nein, will ich aber gar nicht. Das ist total lieb gemeint, aber es nervt. Immer die Einzige zu sein, die sitzt, wenn alle anderen stehen. Das ist total unangenehm. Und es ist immer so, dass man dadurch schlechter sieht. Und irgendwas gibt es immer zu sehen. Ne, in Indien Gast sein nervt irgendwie. Man wird nie normal behandelt, immer so, als wäre man irgendwie ganz besonders wichtig und toll. Aber das will ich gar nicht. Behandelt mich doch einfach wie einen ganz normalen Menschen, bitte.

2 Gedanken zu „Wir sitzen

  1. Liebe Jana,

    vielen Dank, dass du immer noch s fleißig schreibst. Auch wenn es sich nicht in Kommentar niederschlägt, ich lese deine Beiträge immer gerne und finde deinen Erzählungen wirklich interessant.

    Liebe Grüße und genieße die Temperaturen dort, bei uns ist es im Moment schweinekalt.

    Kerstin

Hinterlasse einen Kommentar